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Marineschule Mürwik ehrt Widerstandskämpfer Alfred Kranzfelder

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Der 20. Juli ist ein besonderes Datum für die Bundeswehr: An jenem Tag im Jahr 1944 verübte Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944) ein Sprengstoffattentat auf Adolf Hitler. Obwohl der selbsternannte Führer überlebte, machte der Anschlag deutlich, dass dem ur-militärischen Prinzip von Befehl und Gehorsam moralische Grenzen gesetzt sind.

 

Mit einem Festakt gedachte die Marineschule Mürwik (MSM) am gestrigen Mittwoch, den 20. Juli 2016, dem militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Im Mittelpunkt stand Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder (1908-1944). Als einer von sehr wenigen Marine-offizieren gehörte er zum Kreis der Widerständler um Stauffenberg. Im Beisein namhafter Gäste wurde nun eine Bronzebüste Kranzfelders vorgestellt, die zukünftig in der umgestalteten Aula der MSM an das Handeln des Marineoffiziers erinnern soll.

 

Wer war Alfred Kranzfelder?

 

Alfred Kranzfelder wurde 1908 in Kempten im Allgäu geboren. Obwohl er eigentlich dem Beruf seiner Vorväter folgend Jura studieren sollte, fehlten der Familie nach dem plötzlichen Tod des Vaters die finanziellen Mittel. Der begeisterte Segler trat nach seinem Abitur am heutigen Carl-von-Linde-Gymnasium daher 1927 in die Reichsmarine ein und durchlief die Ausbildung zum Seeoffizier - unter anderem an der MSM in Flensburg.

 

Nach einer Erkrankung konnte Kranzfelder nicht mehr zur See fahren und wurde deshalb zur Seekriegsleitung der Kriegsmarine nach Berlin versetzt. Hier bekam er nicht nur einen Überblick über die politische Lage, sondern freundete sich auch mit Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) an.

 

Als sich die Umsturzpläne seines Bruders Claus konkretisierten, weihte Berthold von Stauffenberg im Herbst 1943 Kranzfelder in die Überlegungen und Einzelheiten des Putschversuchs ein. Dem Marineoffizier wurde dabei die Aufgabe zugeteilt, nach dem Anschlag das Verhalten der Seekriegsleitung unter Großadmiral Karl Dönitz (1891-1980) zu beobachten sowie gegebenenfalls ihn und weiteres Führungspersonal festzusetzen.

 

Nachdem das Attentat auf Hitler misslungen war, führte die Spur schnell zu Kranzfelder. Er wurde zwei Tage später, am 24. Juli 1944, verhaftet und am 10. August zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte unmittelbar danach in Berlin-Plötzensee.

 

Umgestaltung der Aula

 

Mit der Bronzebüste Kranzfelders hält nun ein Stück Marinegeschichte Einzug in die Aula der MSM, die zwar seit längerem bekannt, aber bisher kaum sichtbar repräsentiert worden ist. Dies ist insofern eine besondere Begebenheit, weil die Aula nicht nur der zentrale Saal der MSM ist - sie prägt auch wie kein anderer Raum das Selbstverständnis des Offizierkorps der Deutschen Marine: Gemälde, Büsten und Gedenktafeln manifestieren, auf welche Ereignisse und Personen sich Werte wie auch Tugenden gründen.

 

Seit einigen Monaten finden in der Aula jedoch umfangreiche Bauarbeiten statt. „Wir setzen mit der Umgestaltung dort an, wo wir in den zurückliegenden Jahrzehnten stehengeblieben sind - nämlich am Ende des Dritten Reiches und der Auseinandersetzung des Selbstverständnisses unserer Vorgänger“, sagte Flottillen-admiral Carsten Stawitzki, Kommandeur der MSM, bei seiner Begrüßungsrede zum Festakt.

 

„Bei der Gründung der Bundeswehr Mitte der 1950er Jahre hatte der militärische Widerstand keinen Platz im Traditionsbild der neugegründeten Streitkräfte  - schon gar nicht in der Bundesmarine“, erklärte Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann. Der Historiker erklärte in seinem Vortrag, dass sich die Führung der Kriegsmarine keiner moralischen Schuld während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkrieges bewusst war. 

Historischer Hintergrund 

Die Angehörigen des militärischen Widerstands gegen Hitler wurden deshalb bis in die Nachkriegszeit als Feinde betrachtet. Dieses Denken hing mit zwei Ereignissen zusammen: 1918 meuterten Matrosen, was zum Systemwechsel in Deutschland führte und linke politische Kräfte förderte. Beim Kapp-Putsch 1920 waren erneut Marinesoldaten beteiligt, die politischen Verhältnisse gewaltsam zu verändern. Diesmal allerdings mit rechter Gesinnung. 

Infolge dieser Ereignisse hatte die Marine einen äußerst negativen Ruf. Die Frage war: Auf welcher Seite stand die Marine? Zu Beginn der Weimarer Republik wurde daher sogar öffentlich diskutiert, die restlichen vom Versailler Vertrag gebilligten Schiffe und Boote in das Reichsheer einzugliedern. Um dies zu verhindern, schwor die Marineführung politische Neutralität: Nie wieder sollten Marinesoldaten die öffentliche Ordnung gefährden. 

Dahinter steckte auch der Wunsch nach Wiederaufrüstung, um nach den ergebnislosen Seeschlachten im Ersten Weltkrieg Rache an der Royal Navy zu nehmen. Unter diesem Eindruck stand dann auch die 1923 eingerichtete Aula der MSM. 

Der Wunsch nach einer starken Flotten machte die Marine letztlich sehr empfänglich für den Nationalsozialismus: Die Nazis versprachen eine Zukunft militärischer Stärke. Nach der Machtübergabe 1933 verhielt sich die Marineführung daher weitgehend opportunistisch zum NS-Regime: Kritik an Hitler wurde als Kritik an der Zukunft einer starken Marine gewertet. Dieses Denken blieb in den Köpfen vieler Soldaten, die bei Gründung der Bundeswehr in die Reihen der Bundesmarine aufgenommen wurden. 

Präsente Tugend 

Mit der Umgestaltung der Aula gehe es nicht etwa darum, mit der Vergangenheit zu brechen. „Mit dem Gemälde von Claus Bergen, das ein Uboot in Überwasserfahrt zeigt und stellvertretend für über 33.000 gefallene Seeleute der Kriegsmarine steht, werden wir auch in Zukunft denjenigen Kameraden gedenken, die tapfer gekämpft haben“, stellte Stawitzki klar. Es müsse aber selbstverständliche Verpflichtung sein, die eigene Geschichte kritisch zu reflektieren.

Für Stawitzki soll dies aber nicht nur hinter verschlossenen Türen im Klassenzimmer geschehen, „sondern in einem historischen Gebäude wie dem unsrigen eben auch sichtbar symbolhaft.“ Geschichte dürfe nicht in Vergessenheit geraten. So war Alfred Kranzfelder in der Stadt Kempten bis vor etwa 20 Jahren weitestgehend unbekannt, wie Oberstudienrat Manfred Waibel vom Carl-von-Linde-Gymnasium Kempten im Grußwort der Allgäuer Stadt zum Festakt berichtete. 

Die Büste Alfred Kranzfelders wird in der umgestalteten Aula der MSM nun einen besonderen Platz einnehmen, weil sie direkt am Eingang steht. Kapitän zur See Hillmann formulierte treffend: „Wir werden ihn immer dann sehen, wenn wir uns in der Aula befinden - insbesondere wenn wir sie verlassen.“ 

Das Antlitz Kranzfelders symbolisiert künftig die Tugend, Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Diese Haltung gab während des Festakts auch Oberstleutnant d.R. Claus Schenk von Stauffenberg, der gleichnamige Enkel des Hitler-Attentäters, den anwesenden Kadetten mit auf dem Weg: „Pflegen Sie Ihren inneren Kompass!“PM-Marineschule: Text:   Oberleutnant zur See Helge Adrians

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