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Schiffsindustrie vor dem Kollaps: Insolvenzverwalter skizzieren dramatische Lage

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Im zweistelligen Millionenbetrag sind die Werften in den Minusbereich - Fotos: Thomsen

Flensburg/Rendsburg – Die traditionsreichen Werften in Flensburg und Rendsburg stehen am Scheideweg. In einer emotional aufgeladenen Pressekonferenz zeichnen die vorläufigen Insolvenzverwalter ein Bild der wirtschaftlichen Schieflage, die nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die gesamte Region in Atem hält.

„Die Lage ist dramatisch“, so Dr. Christoph Morgen, vorläufiger Insolvenzverwalter für die Flensburger Werft. Fehlende Jahresabschlüsse, nicht gezahlte Sozialabgaben und über 150 Zwangsvollstreckungen zeichnen das Bild eines Unternehmens, das unter jahrelangem Missmanagement leidet. Auch die Löhne der Belegschaft sind seit Wochen überfällig. Henrik Gittermann, sein Kollege für Rendsburg, ergänzt: „Die Kassen sind leer, der Strom droht abgestellt zu werden.“

Wirtschaftsminister geschockt

Auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU), der sich in den vergangenen Wochen nachdrücklich für den Rückzug von Lars Windhorst eingesetzt hatte, zeigte sich angesichts der Zustände bei den Traditionswerften erschüttert. „Ich habe in die Schränke geschaut und eine Vielzahl gelber Briefe gesehen. So einen rücksichtslosen Unternehmer habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt“, erklärte Madsen sichtlich betroffen. Der Minister betonte erneut, dass potenzielle Investoren für die Werften bereitstünden – jedoch unter der klaren Bedingung, dass Windhorst keine Rolle mehr bei den Verhandlungen spielt.

Hohe Schuldenlast belastet Neustart

Auf Nachfrage nach der Höhe der Schuldensumme bezifferte Dr. Morgen diese auf einen „zweistelligen Millionenbetrag“. Ob sich die Summe eher im unteren oder oberen Bereich bewege, wollte ein Journalist genauer wissen. Gittermann kommentierte dies knapp, aber eindringlich: „Ich finde das alles ziemlich hoch, ehrlich gesagt.“ Diese Schuldenlast macht die Suche nach Investoren zu einer umso größeren Herausforderung.

Müssen die Arbeiter weiterhin erscheinen, obwohl es keine Arbeit gibt?

Ein drängendes Thema ist auch die Situation der Arbeiter, die derzeit oft ohne konkrete Aufgaben auf den Werften erscheinen. Auf die Frage, ob sie weiterhin zur Arbeit kommen müssen, obwohl es nichts zu tun gibt, antwortete Dr. Morgen: „Da stimmen wir uns eng mit dem Betriebsrat ab, weil ich glaube, es ist ziemlich grausig, wenn man hier jeden Tag herkommen muss und einfach hier den Tag verbringt und keine Arbeit hat. Bislang hat es keine Freistellungen gegeben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diejenigen, die keine Arbeit haben, möglichst schnell Arbeit bekommen, aber in der Zeit wenigstens nicht hier ihre Zeit verbringen müssen, ohne dass sie was machen können, weil ich glaube, das ist für die Betroffenen arg deprimierend.“

Jan Brandt, Betriebsrat der Flensburger Schiffbaugesellschaft (FSG), beschreibt die Belastungen der Belegschaft eindrücklich: „Wir kennen das ja auch immer wieder von Kollegen, die kommen nach Hause, sind auch zu Hause für nichts mehr zu gebrauchen, hängen nur noch auf dem Sofa rum, haben Stress mit der Frau. Aber diese Antriebslosigkeit, die kommt ja gerade von dem Nichtstun. Und wir hoffen natürlich auch, wenn es jetzt erstmal vorerst an diesem Zustand nichts ändert, dass trotzdem ein Stück weit Erleichterung bei vielen Kollegen spürbar ist.“

Versprechen, die nie eingehalten wurden

Die Enttäuschung über den bisherigen Eigentümer Lars Windhorst ist bei den Betriebsräten groß. Jan Brandt führt aus, dass Windhorst immer wieder leere Versprechungen gemacht habe, vor allem in Bezug auf die pünktliche Zahlung von Gehältern. Markus Stöcken, Betriebsrat der Nobiskrug-Werft, ergänzt: „Wenn man mit ihm telefoniert, hat man manchmal den Eindruck, dass das eine KI-Stimme spricht. Das Wording ist immer gleich: ‚Geld ist angewiesen, kommt heute Nachmittag, spätestens morgen.‘ Und dann rufst du Montag an, hörst das, Dienstag an, hörst das, und Mittwoch hörst du wieder dasselbe. Es ändert sich einfach nichts.“

Was die Betriebsräte sich für die Zukunft wünschen

Auf die Frage, was sie sich für die Zukunft der Werften und der Belegschaft wünschen, erklärte Jan Brandt kurz und knapp: „Dass es eine Zukunft gibt.“ Markus Stöcken hingegen äußerte seinen Wunsch mit drastischen Worten: „Dass Lars Windhorst verhaftet wird.“ Diese klaren und emotionalen Aussagen spiegeln die angespannte Stimmung unter den Beschäftigten wider.

Eine Belegschaft zwischen Verzweiflung und Hoffnung

Trotz der prekären Umstände zeigt sich die Belegschaft bemerkenswert loyal. Während in den letzten Jahren viele Fachkräfte die Werften verlassen haben, sind jene, die geblieben sind, bereit, einen Neuanfang zu wagen. „Wir sind froh, dass endlich etwas passiert“, sagte einer der Betriebsräte. „Die letzten Monate waren geprägt von Versprechungen, die nie eingehalten wurden.“

Auch die Gewerkschaft IG Metall zeigt sich kämpferisch: „Die Belegschaften haben großes Know-how und verdienen eine Zukunft“, so Martin Bitter, Vertreter der IG Metall. Unterstützung kommt zudem von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen, der vor Ort die Rückendeckung des Landes zusicherte: „Wir werden alles tun, um den Standort zu sichern.“

Investoren dringend gesucht

Die Insolvenzverwalter stehen vor einer Mammutaufgabe: Binnen weniger Wochen müssen potenzielle Investoren gefunden werden, um die Werften langfristig zu sichern. Dr. Morgen betonte, dass bereits erste Gespräche mit Interessenten laufen. „Es gibt positives Feedback, aber die Zeit drängt“, so Morgen. Als besonders kritisch gilt der sogenannte Insolvenzgeldzeitraum, der nur bis Ende Januar reicht. Bis dahin muss eine Lösung gefunden werden.

Ein Hoffnungsschimmer könnte die Fertigstellung eines laufenden Schiffsprojekts in Flensburg sein. Erste Gespräche mit dem Kunden deuten darauf hin, dass Interesse an einer Fertigstellung besteht – eine Aufgabe, die nicht nur Kapital, sondern auch Vertrauen erfordert.

Vergangenheit wirft Schatten auf Zukunft

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind laut Insolvenzverwaltern auf eklatantes Missmanagement zurückzuführen. Die Vorwürfe gegen Lars Windhorst wiegen schwer. „Lügen und gebrochene Versprechen haben die Werften in den Abgrund geführt“, so einer der Betriebsräte. Es ist noch unklar, ob sich aus den vorliegenden Unterlagen Hinweise auf eine Insolvenzverschleppung ergeben.

Regionale Bedeutung

Die Werften in Flensburg und Rendsburg sind nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch ein bedeutender Teil der regionalen Industrie. Sollte es gelingen, einen Investor zu finden, könnten die Werften erneut ein zentraler Pfeiler des Schiffbaus in Deutschland werden.

In den kommenden Wochen liegt die Zukunft der Werften in den Händen von Insolvenzverwaltern, Investoren und politischen Entscheidungsträgern. Klar ist: Es bleibt nur wenig Zeit, um eine Tragödie für die Belegschaft und die Region abzuwenden.

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