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Versorgungssituation Energie in Deutschland – Flensburg gut aufgestellt

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Flensburg - Die Erdgas-Speicher in Deutschland sind aktuell zu rund 65 % gefüllt. - Archivfoto: Thomsen

Deutschland sieht sich mit einer angespannten Erdgas-Versorgungssituation konfrontiert. Aufgrund von Wartungsarbeiten floss seit dem 11.07.2021 kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland. Mit Beendigung der Wartungsarbeiten hat Russland die Belieferung auf Vor-Wartungs-Niveau wiederaufgenommen (40 % der Leitungs-Kapazität). Die Erdgas-Speicher in Deutschland sind aktuell zu rund 65 % gefüllt.

Überall wird stellt sich die Frage, ob und wie wir durch den Winter kommen und ob Abschaltungen notwendig werden.

Was bedeutet das für die Stadtwerke bzw. wie hat sich der Flensburger Versorger aufgestellt?

Am wichtigsten: Die Versorgung ist aktuell gesichert und es sind genügend Brennstoffe, damit sich daran nichts signifikant ändert. Die Stadtwerke Flensburg (SWFL) haben die Lage frühzeitig erkannt und bereits vor einigen Monaten ein Krisenteam zusammengestellt, das die Situation regelmäßig beobachtet, bewertet und Maßnahmen einleitet.

Die SWFL betreiben in Flensburg die Erdgasanlage Kessel 12 sowie drei Kohlekessel. Ende dieses Jahres geht die Erdgasanlage Kessel 13 in Betrieb. Geplant war, dafür zwei Kohlekessel zu verrenten. Das wird nicht sofort umgesetzt, sondern alle drei Kohlekessel werden erst einmal weiter betrieben.

Die sichere Wärmeversorgung für diesen Winter steht an erster Stelle, auch wenn den SWFL die Auswirkungen eines vermehrten Kohleinsatzes für die Umwelt bewusst sind. Der Kohleeinsatz ist eine temporäre Zwischenlösung, um die Folgen möglicher Versorgungsengpässe abzufedern. Die SWFL halten an ihren Klimazielen fest.

Es wurde mehr Kohle als geplant eingekauft und gelagert. Der Kohleberg ist für diese Jahreszeit sehr hoch. Neben Erdgas und Steinkohle können die SWFL Ersatzbrennstoffe und Holzhackschnitzel verbrennen. Über den Elektrodenheizkessel erzeugen die SWFL mit Strom Wärme und können auch leichtes Heizöl zur Wärmeproduktion einsetzen.

Mit diesem Brennstoffmix sind die SWFL für den Winter gut gerüstet.

 

Der rechtliche Spielraum für Energieversorger wurde durch verschiedene Gesetze/Verordnungen deutlich konkretisiert und geschärft, so dass die Unternehmen in einem festen Handlungsrahmen agieren können.

Welche sind das?

Der Gesetzgeber hat Standard-Instrumente vorgegeben, um auf Störungen der Energieversorgung oder unerwartet hohen Bedarfe zu reagieren. Zusätzlich hat er seinen Instrumenten-Kasten mit weiteren Eingriffsmöglichkeiten geschärft.

Der Standard - Notfallplan Gas mit drei Eskalationsstufen

Frühwarnstufe – Noch kein Eingriff des Staates

Galt seit dem 30. März 2022 und ist auszurufen, wenn es konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf gibt, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Beim Bundeswirtschaftsministerium tritt ein Krisenstab zusammen. Versorger/Betreiber der Gasleitungen müssen regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einschätzen. Der Staat greift nicht in den Gasmarkt ein.

Alarmstufe – Markt kann Störung noch alleine bewältigen

Wegen der angespannten Lage hat das BMWK am 23. Juni die zweite Eskalationsstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, da eine Störung der Gasversorgung vorliegt. R. Habeck appellierte an Verbraucher, Industrie und öffentlichen Einrichtungen den Gasverbrauch weiter zu reduzieren.

Die Ausrufung der Alarmstufe begründete er u.a. mit der Verringerung/dem Stopp russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Die Ausrufung der Alarmstufe ist aber auch Voraussetzung für die Pläne der Bundesregierung, verstärkt Kohlekraftwerke ans Netz zu holen, um den Gasverbrauch im Stromsektor zu reduzieren.

Notfallstufe – Staat greift ein, Bundesnetzagentur verteilt

Die Notfallstufe tritt in Kraft, wenn eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage vorliegt. Dann müssen „nicht-marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden“, um insbesondere die Gasversorgung der geschützten Kunden sicherzustellen – der Staat greift ein. Die Bundesnetzagentur wird zum „Bundeslastverteiler“. Sie regelt dann in Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung von Gas. Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen besonders geschützt und möglichst bis zuletzt mit Gas zu versorgen. Dazu zählen Privathaushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, und Gaskraftwerke, die zugleich auch der Wärmeversorgung dienen.

Weitere Verschärfungen

Neben dem Notfallplan Gas hat der Bundestag am 7./der Bundesrat am 08. Juli 2022 den Gesetzentwurf „zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ verabschiedet. Damit wurden das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) und das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geschärft. Wichtige Punkte sind:

Preisanpassungsrecht gemäß § 24 EnSiG

Sind Alarmstufe oder Notfallstufe ausgerufen und stellt die Bundesnetzagentur zusätzlich eine Gasmangellage fest, dürfen Gaslieferanten dadurch bedingte Preisesteigerungen entlang der Lieferkette an den jeweils nächsten Kunden bis hin zum Endverbraucher weitereichen. Reicht auf Basis von § 24 EnSiG ein Gaslieferant gegenüber einem Fernwärmeversorger Preissteigerungen weiter, dann darf dieser diese Preiserhöhungen nach dem ebenfalls neu in Kraft getretenen § 24 Abs. 5 AVBFernwärmeV ebenfalls an seine Kunden weiterreichen. Aktuell greift der § 24 EnSiG noch nicht, da es an der auf ihrer Homepage veröffentlichten Feststellung der Bundesnetzagentur fehlt.  

Stabilisierungsmaßnahmen gemäß § 29 EnSiG

Im Mai 2022 wurde bereits die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung von Unternehmen der kritischen Infrastruktur und – als letztes Mittel – auch die Möglichkeit einer Enteignung in das EnSiG eingefügt. Nun wurde in einem weiteren Schritt auch ein Einstieg des Bundes bei strauchelnden Gasimporteuren erleichtert. Der Mechanismus entspricht etwa den Regelungen, mit denen die Lufthansa während der Corona-Pandemie gerettet wurde. Hiermit wurden Möglichkeiten für eine staatliche Unterstützung von systemrelevanten Unternehmen wie Uniper geschaffen, um einen Dominoeffekt bei der Erdgasversorgung zu verhindern.

Umlagemechanismus nach § 26 EnSiG

Mit diesem Mechanismus dürfen die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung infolge von verminderten Gasimporten gleichmäßig über eine Umlage auf alle Gaskunden verteilt werden. Das ist aber an enge Voraussetzungen geknüpft. An der konkretisierenden Rechtsverordnung wird laut BMWK mit Hochdruck gearbeitet.  Tritt das Umlagesystem in Kraft, ist eine Preisanpassung auf Basis von § 24 EnSiG nicht mehr möglich.

Ziel ist es, Marktmechanismen und Lieferketten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. So ist bei verminderten Gasimporten damit zu rechnen, dass Gas am Markt deutlich teurer wird. Könnten die Energieunternehmen die hohen Preise nicht bezahlen und somit ihre Verträge nicht erfüllen, drohen finanzielle Risiken. Brechen Energieunternehmen weg, drohten ernste Störungen. Um das zu vermeiden, könnten außerordentliche gesetzliche Preisanpassungsrechte, zeitlich befristet und unten engen Voraussetzungen aktiviert werden.

Leistungsverweigerung nur nach Genehmigung

Neu ist auch § 27 EnSiG, der die Wirksamkeit von Leistungsverweigerungen unter den Vorbehalt der Genehmigung der BNetzA stellt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Leistungsverweigerungs-rechte regelmäßig nicht bestehen, wenn eine Ersatzbeschaffung möglich ist. Dies gelte erst Recht, wenn eine vertragliche oder gesetzliche Preisanpassung gegenüber den Kunden möglich sei oder höhere Ersatzbeschaffungskosten über eine Preisanpassung ausgeglichen werden könnten.

Noch mehr Möglichkeiten

Die Bundesregierung und der Bundesrat haben am 08. Juli 2022 das „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirt-schaftlicher Vorschriften“ (EKBG) zugestimmt (sogenanntes Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz).

Das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKGB) ist am 12. im Juli in Kraft getreten und sieht den verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken für die Stromerzeugung vor. Auf Basis des Gesetzes können Verordnungen erlassen werden, mit denen zusätzliche Kohle- und Ölkraftwerkskapazitäten temporär an den Strommarkt zurückkehren dürfen, mit dem Ziel Erdgaskraftwerke zu verdrängen.

Im Falle einer Gasmangellage soll im Zeitraum bis 31. März 2024 Reservekraftwerken eine befristete Rückkehr in den Strommarkt ermöglicht werden, um den Gasverbrauch zu reduzieren. Über eine Rechtsverordnung kann darüber hinaus der Einsatz von Gas im Kraftwerkssektor soweit wie möglich eingeschränkt werden. Allerdings gelten Ausnahmen für wärmegekoppelte Kraftwerke wie dem Flensburger Heizkraftwerk, deren Wärmeerzeugung nicht ersetzt werden kann.

SWFL gut vorbereitet

Aktuell ist die Versorgung in Deutschland überall gesichert. Die Politik hat ihren Instrumentenkasten vorsorglich um verschiedene Maßnahmen erweitert, um kurzfristig auf Mangellagen in der Energieversorgung zu reagieren. Abzuwarten bleibt, wie sich die Lage entwickelt und welche Folgen daraus resultieren.

Die SWFL haben mit dem Einkauf von Kohle gut vorgesorgt und sind unabhängig von der gesamtdeutschen Situation gut auf die bevorstehende Heizperiode vorbereitet.

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