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Wie lebt es sich als Homosexueller?

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„Ich bin schwul – und das ist auch gut so.“ Mit diesem Satz wurde der damalige regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, 2001 über Nacht bundesweit bekannt.

Mit diesem Statement wurde eine neue Ära begonnen, auf einmal bekannten sich viele Menschen des öffentlichen Lebens dazu, homosexuell zu sein. Nicht, dass sie das nicht schon vorher waren, schließlich wird man mit seiner sexuellen Orientierung geboren. Homosexuell zu sein ist weder eine Krankheit, noch ist es vererblich.

Durch die neue Offenheit begriffen auch die „Normalos“, also die Heterosexuellen, dass es auch eine andere Form von Sexualität gibt. Frauen mit Frauen – Männer mit Männern – Transsexuelle mit wem sie wollen. So wurde das Thema Homosexualität wohl auch dank Klaus Wowereits Satz populär, und keiner musste sich mehr wegen seiner Sexualität verstecken.

Der Flensburger Stadtanzeiger und die Flensborg Avis haben sich dazu entschlossen, in Flensburg und seinem Umland nachzufragen, wie es sich heutzutage als homosexueller Jugendlicher lebt. Dazu sprachen wir mit dem heute 16-jährigen Philip, groß und schlank, geht auf ein Gymnasium. Von außen alles völlig normal. Man sieht Philip nicht an, dass er schwul ist. Warum auch, schließlich ist er ja auch ein normaler Mensch, und mit wem er das Bett teilt, ist allein seine Sache. Das meint auch Philip selbst.

Wir wollten wissen: Wie hat Philip gemerkt, dass er nicht auf Mädels steht? „Klar, in der Schule waren ja genug Mädchen in meiner Nähe, aber halt auch einige wirklich süße Jungs.“ Und so kam es, dass er ein Auge auf einen bestimmten Jungen gerichtet hatte, anstatt auf das hübsche Mädchen neben ihm. Die beiden Jungs verstanden sich schnell und wurden gute und enge Freunde. Die Liebeleien zu Sascha wurden von Philips Seite immer mehr, jedoch wurde das vom Gegenüber nicht mehr als mit einer normalen Freundschaft erwidert.

So kam es, wie es kommen musste: Nach ca. 3 Jahren der guten Freundschaft offenbarte sich Philip gegenüber Sascha und sagte ihm, dass er schwul sei und ihn ganz süß fände. Das saß erst einmal. Sascha reagierte sehr aufgeklärt, sagte seinem Freund, es sei alles gut, er habe sich das schon längst gedacht. Er sei allerdings auf Mädels ausgerichtet, bat aber, trotzdem befreundet bleiben zu können. Und das sind sie auch heute noch.

Natürlich war es Philip, mittlerweile 15 Jahre jung, auch schnell klar: „Meine Eltern sollten es von mir erfahren, nicht von jemand anderem.“ Philip outete sich gemeinsam mit einer Freundin gegenüber seiner Mutter. Mit der Freundin im Gepäck reagierte seine Mutter nicht negativ, aber zurückhaltend.

„Später als meine Freundin weg war, fragte meine Mutter noch einmal nach, und da reagierte sie ein wenig anders“, erzählt Philip. „Sie fragte mich, ob ich es wirklich ernst meinte, ob ich wirklich auf Jungs stehe, und – das fand ich wirklich blöd – ob ich mit ihr zum Psychologen gehen wolle, um mit ihm dadrüber zu reden.“

Philips Vater wurde dann später von seiner Mutter über die Neuigkeit unterrichtet. Sie habe ihm gesagt, dass er von seinem Sohn keine Enkel zu erwarten habe, zumindest nicht auf dem natürlichen Weg. Sein Vater reagierte cool und sagte: „Ja, dann ist es so, du bleibst immer mein Sohn“. Damit war das Thema vom Tisch, Philip war erleichtert. „Nur wenn ich mal einen Jungen mit nach Hause nehme, fragen sie halt mal, wie ich ihn finde, oder ob er nicht was für mich wäre. Aber das würden sie bei einem Mädchen sicher genauso machen, wenn ich hetero wäre.“

Auch unter Philips Freunden in und außerhalb der Schule war sein Outing kein Problem. „Obwohl ich es ein wenig einfacher hatte, da sich schon ein Jugendlicher vor mir geoutet hat. Ich denke die jüngere Generation hat allgemein kein Problem mehr damit, dass Männer Männer oder Frauen Frauen lieben.“

Einen Tipp hat Philip für junge Leute parat: „Im großen Ganzen kann ich dazu raten, eure Gefühle nicht in euch hineinzufressen. Dass ihr auf das gleiche Geschlecht steht ist normal und akzeptiert. Außer Putin interessiert es keinen mehr, mit wem man ins Bett geht.“

Sei du selbst und lebe dein Leben, nicht das der anderen!

 

Ganz so einfach wie Philip das heutzutage hat, hatte es der heute 48–jährige Ralf nicht.

1983 wanderte Ralf von Deutschland nach Abenrå in Dänemark aus, um dort auf ein Gymnasium zu gehen. „Dort wurde mir mehr und mehr klar, dass mich Männer mehr anziehen, als Frauen. Mir gefielen damals die Bilder von Sascha Hehn in der Bravo mehr, als die von irgendwelchen weiblichen Stars. Freie Jungskörper in der Bravo unter anderem bei Dr. Sommer waren halt auch ein Anreiz und spornten meine jugendlichen Phantasien an“, so Ralf in unserem Interview.

Nur zwei Jahre später war es dann endlich soweit, den ersten ‚physischen‘ Kontakt mit einem Mann und das gleichzeitige „Coming Out“ brachte Ralf hinter sich. „Voller Euphorie erzählte ich es meiner Mutter – schließlich fand ich ja nichts Schlimmes dabei. Doch meine Mutter reagierte anders als erwartet. Sie gab Dänemark die Schuld, und dem Gymnasium - sie wollte mich sogar von der Schule nehmen. ‚Tu das, und du hast ein Sohn gehabt‘ warf ich ihr damals an den Kopf“. Sie sei nicht böse gewesen, eher mütterlich besorgt. „Damals war das Thema Aids gerade in den Medien präsent, und jeder hatte Angst“, sagt Ralf heute.

 „Meine neuen Freunde am Gymnasium haben es mehr oder weniger mit einem Schulterzucken abgetan. Ich sei wie ich sei, und das sei kein Problem. Dafür war es in der Familie weiter problematisch.“ So wurde es zunächst still zwischen Ralf und seiner Mutter. Zwar besuchten sie sich hin und wieder gegenseitig, aber ihr Verhältnis blieb auf lange Zeit distanziert. Ob sie was falsch gemacht hätten, fragten sich seine Eltern. Was die Nachbarn wohl sagen würden. „Darauf erwiderte ich nur, keiner habe etwas falsch gemacht und - schiet och oppe nachboor - da rutschte mir doch glatt mein Plattdeutsch wieder raus.“

Irgendwann normalisierte sich das Zusammenleben mit den Eltern. „Zuerst haben mein neuer Freund und späterer Mann August und ich in getrennten Zimmern geschlafen, ich in meinem ‚Kinderzimmer‘ und August im alten Zimmer meiner Schwester. Später haben meine Eltern mir dann ein Doppelbett ins Zimmer gestellt, was wie ein Friedensangebot wirkte.“

Mit August lebte Ralf elf Jahre zusammen. Mit der Zeit lebten sie sich auseinander, bis sie sich 2000 trennten. „Das kennen Hetero-Pärchen wohl ganz genauso“, meint Ralf. Die Trennung ging nicht ganz ohne Rosenkrieg vonstatten: „Leider hat er mir und meinem zweiten Mann das Leben zur Hölle gemacht, Gerüchte gestreut, auf die ich auf offener Straße – obwohl wir in Kolding, also in einer Großstadt gelebt haben – angesprochen wurde.“

Vieles hat sich seit damals verändert, Menschen mit homosexuellen Neigungen finden inzwischen viele Foren und vor allem Gleichgesinnte im Internet. „So habe ich auch den Freund verlassen, für den ich einst August verlassen habe. Ich hatte zunächst genug von festen Beziehungen und wohnte erstmal alleine, hatte Spaß mit meinen Arbeitskollegen und einem guten Freund, der auch homosexuell ist.“ 2001 lernte Ralf seinen jetzigen Mann über einen Chat im Internet kennen, bei dem Männer andere Männer suchten.

Ralf ist froh über seine heutige Situation. „Zuerst wohnte er bei mir in Kolding, aber da ihm seine Familie und Freunde fehlten, zogen wir bald nach Viborg um, wo er herkam. Ich fand einen Job dort, und 2006 haben wir dann uns das ‚Ja-Wort‘ gegeben. Klar gibt es auch in unserer Beziehung Höhen und Tiefen, es ist halt nicht alles rosarot, jede Beziehung – egal ob zwischen Männern, Frauen oder zwischen beiderlei Geschlecht – bedeutet auch Arbeit am gemeinsamen Ziel, gemeinsam zufrieden zu sein.“

In der Familie von seinem Mann wurde Ralf herzlich aufgenommen. Die Neffen und Nichten bekamen einen neuen Onkel. „Ich bin froh, dass ich diese Offenheit noch erleben darf.“

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